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Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Zukunft der Hotellerie

Carsten K. Rath

Carsten K. Rath ist Initiator des Awards Die 101 besten Hotels Deutschlands und bekannt als Verfechter kompromissloser Service-Excellence. Wir sprachen mit ihm über Nachhaltigkeit, Digitalisierung und der Zukunft der Hotellerie.

Herr Rath, neben dem Award Die 101 besten Hotels Deutschlands verleihen Sie außerdem den deutschen Nachhaltigkeitspreis der Hotellerie. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?

Nachhaltigkeit wird oftmals auf Ökologie reduziert. Jedoch beinhaltet Nachhaltigkeit drei verschiedene Dimensionen: die soziale Nachhaltigkeit, also der Umgang mit den Mitarbeitern, der ökonomische Betrieb eines Unternehmens und eben die Ökologie, also der sorgsame Umgang mit unserer Umwelt.

Bis vor einigen Jahren schlossen sich Luxus und Nachhaltigkeit kategorisch aus, doch heute stehen sie in einer gewissen Abhängigkeit zueinander. In Zukunft wird der Kunde beim Reisen immer mehr auf Nachhaltigkeit und günstigere Preise achten. Mit diesem Wissen müssen wir Hoteliers unsere Konzepte nochmal überdenken.

Einer unserer Partner – Kaldewei – nennt das Luxustainability, ein schlaues Wort, wie ich finde.

Benchmarking, ist oftmals nichts anderes als eine Analyse dessen, was die Anderen machen. In meinen Augen, eine Romantisierung von „copy and paste“. Mit anderen Worten: Wenn man sich immer an Anderen orientiert, dann wird man dem Ähnlicher, am Ende gleicher und dadurch austauschbarer. Mit der Nachhaltigkeit ist das eben nicht mehr möglich. Der Nachhaltigkeit geht es nur darum, sich im entsprechenden Ökosystem optimal zu platzieren. Bezogen auf die Hotellerie: durch intelligente und an das Ökosystem angepasste Konzepte neuen Wohnraum oder Hotelraum zu schaffen.

Gibt es Nachhaltigkeitsstandards, die ein Gast erwartet?

Ja, das ist allerdings abhängig vom Gast und von der Destination. Besonders auffällig ist das, wenn es um das Thema Essen geht. Heutzutage besitzt der Gast ein ausgeprägteres Bewusstsein für Regionalität. Beispielsweise muss nicht mehr mit exotischen Früchten garniert werden oder das Mineralwasser von weither eingeflogen. Gäste sind sich der Saisonalität und der verbundenen Qualität immer mehr im Klaren.

Ich glaube mittlerweile weiß jeder, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein treibender Faktor für Erfolg ist, sondern vor Allem ein gravierender Bestandteil des erdgeschichtlichen Wandels. Es geht nicht nur darum, dass wir betriebswirtschaftlich kurzfristige Erfolg erzielen können, sondern darum, dass wir unsere Welt weiterhin lebenswert halten. Der gemeinsame Feind, die Umweltverschmutzung, sollte uns anregen, kollektiv gegen Ihn vorzugehen und von allen Seiten anzugreifen. Das ist meiner Meinung nach die Zukunft von Nachhaltigkeit.

Klimatechnik-Check
In Sachen Klimatechnik führen maßgeblich drei Faktoren zum nachhaltigen Betrieb eines Hotelgebäudes.
1. Eine energieeffiziente und umweltfreundliche Temperierung, bei der möglichst wenig Kältemittel eingesetzt wird. Möglich ist dies etwa durch Fan Coils oder Unterflurkonvektoren in den Räumen, die mit Warm- oder Kaltwasser von einem Wärmepumpe/Kaltwassererzeuger-Kombigerät beliefert werden.
2. Eine Lüftungsanlage, die anstelle der Fensterlüftung für den notwendigen Austausch verbrauchter Luft gegen Außenluft sorgt. Dabei gewinnen Wärmetauscher-Technologien einen Großteil der Wärme- bzw. Kälteenergie aus der temperierten Raumluft zurück.
3. Eine intelligente Regelung des Gesamtsystems, die unter anderem die Temperierung in Abhängigkeit von tatsächlichen Buchungs- oder Präsenzzeiten regelt und den Luftwechsel anhand von CO2-Sensoren steuert. Martin Giese

Hinsichtlich äußerer Umwelteinflüsse, hat sich nicht nur das Bewusstsein für Nachhaltigkeit verändert, sondern sicherlich auch das Bewusstsein für Sicherheit und Hygiene. Was muss dem Gast geboten werden, um eine sichere Wohlfühlatmosphäre zu vermitteln?

Der Faktor Sicherheit im Service wird zukünftig einen ganz besonderen Stellenwert bekommt. Durch die Pandemie haben die Menschen ein neues Verständnis für Sicherheit entwickelt. Die Lufthygiene und Reinigung von Luft, ist eben nicht, wie es meist angenommen wurde, gottgegeben und selbstverständlich. Wie wir mittlerweile wissen, wird das Coronavirus vor allem über die Aerosole in der Luft übertragen. Durch den Einsatz von innovativen Lösungen der Klimatechnik, beispielsweise Lüftungsgeräte oder Luftreinigern, kann der Gast beruhigt sein und sich wohlfühlen. Zweifellos wird auch nach der Pandemie die nächste Grippewelle kommen und genau dieser erreichte Hygienestandard durch Klimatechnik, darf uns nicht verloren gehen. Ich glaube das Verhindern von Virenübertragungen, hat schon seine Berechtigung.

Klimatechnik-Check
Das Thema Luft und Lüftungsanlage steht für Hotelgäste heutzutage wesentlich stärker im Fokus, als vor der Pandemie. Intelligent geregelte Lüftungsanlagen stellen einen ausreichenden Luftwechsel her, durch den verbrauchte und ggf. virenbelastete Luft gegen frische Außenluft ausgetauscht wird. Außerdem steigert eine kontrollierte Lüftung den Komfort der Gäste und die Energieeffizienz des gesamten Gebäudes. Für den schnellen Einsatz in Hotels ohne Lüftungstechnik ist alternativ der Einsatz mobiler Luftreiniger mit HEPA-Filtern möglich, die 99,995 % aller Schwebstoffe aus der Luft filtern. Hierbei findet allerdings keine Zufuhr frischer Außenluft statt. HEPA-Filter können auch für den sporadischen Einsatz in vorhanden Fan Coils nachgerüstet werden. Martin Giese

Auch die Digitalisierung wurde von der Pandemie beeinflusst. Wir sehen in den letzten Monaten viele Entwicklungen, die vor allem auf eine Kontaktreduzierung zum Gast abzielen. Wie stehen Sie dazu? Wird sich das so weiter fortsetzen?

Menschen sind soziale Wesen, die den persönlichen Kontakt genießen oder sogar für ihr eigenes Wohlbefinden brauchen. Deswegen glaube ich, dass es eine Parallelentwicklung geben wird. Auf der einen Seite sorgt die Technik für höhere Effizienz und damit möglicherweise auch für eine höhere Effektivität. Aber die Pandemie ist für den Service, der ja mit Herzlichkeit und Empathie aufgeladen sein soll, ganz schwierig.

Ich glaube es kommt hier auf das Segment an. Je hochwertiger die Hotellerie, desto persönlicher wird sie bleiben. Es gibt bestimmt Lösungen, die man technisch anstreben kann, ich denke an das Quick-Checkout und im Drei-Sterne-Hotel ist so ein Roboter Service auch interessant. Lasst uns aber unterscheiden zwischen dem was effizient ist und dem was Freude macht. Keine Technik der Welt wird uns dazu bringen, Sozialkontakte zu reduzieren.

Wir haben bisher von verschiedenen Qualitätskategorien von Hotels gesprochen. Seit einigen Jahren entwickelt sich aber mit Serviced Apartments eine Sonderform des Wohnens auf Zeit. Wie wird sich das Verhältnis von Hotels und Serviced Apartments zukünftig entwickeln?

Sehr wahrscheinlich wird sich eine Mischform des Wohnens durchsetzen. Eine strikte Trennung zwischen Hotel, Arbeitsplatz und Residenz wird sich also sehr wahrscheinlich aufheben. Dazu gehört, dass man vielleicht auch im Privatbereich eine Concierge möchte, dass man auch im Privatbereich einen Room Service möchte. Diese Mischformen haben eine höhere Resilienz in Krisenzeiten, weil sie eben nicht ein Segment alleine bearbeiten, sondern breiter aufgestellt sind.

Bieten sich hier auf lange Sicht spannende Konzepte die mehrere Generationen wieder besser miteinander verbinden?

Das sind für mich zwei Fragen. Das eine Thema ist: Gibt es das Viergenerationenhaus in Zukunft? Für Menschen, die das mögen bestimmt, aber ich bezweifle, dass sich das in der Masse durchsetzt.

Das zweite Thema ist das, was wir heute „Altersheim“ oder besten Falls „betreutes Wohnen“ nennen. Auch hier wird es zum Teil eine Mischform geben. Nämlich für Menschen, die sich im Herbst oder Winter ihres Lebens einen wirklich angenehmen Aufenthalt wünschen. Ich glaube, dass diese Menschen nicht in klassische Altersheime gehen, sondern das verfügbare Geld in ein qualitativ hochwertigeres Erlebnis investieren. Das wird zum Teil eine Mischform aus Hotel und Residenz sein.