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Die Forschung der Hotelzukunft

Dr. Jörg Wallner

Dr. Jörg Wallner ist Politologe, Soziologe, Publizist – und Zukunftsforscher! Wir haben mit ihm über die kommenden Trends der Hotellerie gesprochen.

          

Sie und Ihre Kollegen forschen seit vielen Jahren unter anderem zur Relevanz von Marken. Wird es für Hotels zukünftig noch wichtiger, sich mit einem klaren Markenkern zu positionieren?

Dr. Wallner: Vor ungefähr 5 Jahren haben wir in einer Studie schon erläutert, dass Marken einen ganz anderen Wert bekommen und sich die klassische Kundenpyramide durch ein starkes Schrumpfen des Standard-Segments deutlich verändern wird. Übrig bleibt vereinfacht gesagt auf der einen Seite ein Economy-Segment, in dem eine möglichst gute Leistung für den jeweils akzeptierten Preis das wichtigste Kaufmotiv ist. Auf der anderen Seite steht dann ein Premium-Segment. Hier geht es vor allem um Identitätsmanagement: Welche Wertvorstellungen vertritt der Hotelbetreiber? Wofür steht er? Warum ist er am Markt? Das heißt, es spielt eine Rolle, was ich neben meinem originären Geschäftsmodell, Übernachtungen anzubieten, für den Rest der Welt oder für die Gesellschaft tue. Wer seinen Geschäftserfolg künftig noch im Standard-Segment sucht, in dem sich viele Anbieter mit durchschnittlichen Leistungen zu durchschnittlichen Preisen ohne besondere Wertorientierung und Identität tummeln, für den wird es sehr ungemütlich.

Und diese Fragen werden von den Kunden vermehrt gestellt?

Dr. Wallner: Genau. Kunden machen sich heute und in Zukunft mehr Gedanken darüber, mit wem Sie Geschäfte machen möchten. Übersetzt auf die Hotellerie: Wo möchte ich übernachten. Wobei es dann nicht mehr nur um die Zimmergröße geht, sondern zum Beispiel um die Frage, wie sich ein Hotel oder eine Hotelkette mit Blick auf Nachhaltigkeit verhält.

Dann nimmt auch die Relevanz von Nachhaltigkeitsstrategien in der Hotellerie zu?

Dr. Wallner: Unbedingt. Aber wir müssen uns bei diesem Thema in allen Branchen vor “Green Washing” hüten. Künftig wird es sich nicht mehr nur um ein deklariertes „Image“ handeln können, mit dem man versucht zu punkten, sondern nachhaltiges Wirtschaften wird eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Denn der CO2 Footprint wird künftig nicht mehr etwas sein, was im Kleingedruckten auftaucht, sondern eine zentrale Rolle für den Erfolg von Geschäftsführungen oder bei Einkaufsverhandlungen spielen – auch für Investoren. Dementsprechend wird die Zertifizierung von einzelnen Hotels oder Hotelketten ebenfalls eine größere Rolle spielen. Dann gilt es nachzuweisen, wieviel „Nachhaltigkeit“ tatsächlich im Unternehmen steckt. Unternehmen sollten die Chance jetzt nutzen, sich hier richtig zu positionieren und entschieden im Markt aufzutreten.

Erhebliche Veränderungen werden auch im Bereich der Mitarbeiterführung und Mitarbeiterentwicklung erwartet. Welche neuen Funktionen werden Hotelmitarbeiter in Zukunft einnehmen?

Jörg Wallner: Erst einmal ist es ja in der gesamten Gastronomie schwierig Personal zu finden und zu halten. Corona hat hier einen doppelten Effekt gehabt: Mitarbeiter und Aushilfskräfte konnten z.T. aus wirtschaftlicher Notwendigkeit nicht gehalten werden, hinzu kommt ein Prozess der Besinnung auf das, was wirklich wichtig ist. Im Leben, bei der Arbeit, in der Gesellschaft. Und damit einhergehend haben wir eine deutlich höhere Wechselbereitschaft von Mitarbeitern in neue Unternehmen und neue Berufe gesehen. Immer wichtiger dabei sind die Fragen nach der Unternehmenskultur, nach Verantwortung, nach Entwicklungsmöglichkeiten, nach Wertorientierung. Weniger wichtig werden dagegen das jeweilige Gehalt oder ein bestimmter Titel.

Sehen wir uns die umgekehrte Perspektive an, nämlich die des Hoteliers und des Managements. Hier wird zunehmend mit künstlicher Intelligenz im Hintergrund operiert, die die Prozesse im Hotel analysiert und optimiert. Mit dem Ziel, eine möglichst gute, individuelle und wertschätzende Betreuung von Gästen zu ermöglichen. Die Mitarbeiter werden sich also stärker darauf konzentrieren, sich um das Wohlbefinden des Gastes zu kümmern. Hotels werden also so etwas wie Feel Good Manager beschäftigen, die den persönlichen und wertschätzenden Kontakt zum Kunden herstellen.

Wie wird sich der Trend der Regionalität, vor allem der Bezug regionaler Lebensmittel, in der Hotellerie entwickeln?

Dr. Wallner: Wir sehen ja mittlerweile überall die Bemühungen, die Lieferketten zu verkürzen. In der Pandemie haben wir die Erfahrung gemacht, dass lange Lieferketten erhebliche Risiken mit sich bringen. Der zweite sehr pragmatische Grund, mit dem wir wiederum zur Nachhaltigkeit zurückkehren, ist, dass längere Lieferketten einen größeren CO2 Footprint haben. In diesem Punkt haben es Waren, die aus China oder Afrika oder sonst woher eingeflogen werden schwer im Wettbewerb mit regionalen Produkten. Ein dritter Aspekt wird gerade von den großen Handelsketten vorangetrieben: der Fokus auf das Tierwohl; Lidl und Aldi haben soeben angekündigt, ab dem bzw. im kommenden Jahr nur noch Schweinefleisch aus Deutschland anzubieten, um Mindeststandards für die Tierhaltung zu verbessern.

Und vielleicht geht der Trend auch von Regionalität hin zur Lokalität: Wie viel meiner Lebensmittel beziehe ich von regionalen Herstellern und was kann ich sogar im Hotel oder in unmittelbarer Nähe zum Hotel selbst anbauen. Hier entstehen gerade sehr clevere Konzepte, die für sehr kurze Lieferwege sorgen werden.

Wir haben in einem früheren Interview mit dem Hotel-Experten Carsten Rath gesprochen, der eine Vermischung von Hotel, Arbeitsplatz und Wohnen prognostiziert. Er sagt viele Menschen werden sich in Zukunft auch im privaten Bereich eine Concierge wünschen.

Dr. Wallner: Da würde ich sofort mitgehen. Aber wie lange das im privaten Bereich noch eine tatsächliche Concierge ist und ab wann diese Concierge digitaler Assistent heißt und sich auf meinem Smartphone befindet ist noch mal eine andere Frage. Ich glaube, dass wir in den nächsten fünf Jahren viele neue digitale Assistenzsysteme sehen werden, die mit einer entsprechenden künstlichen Intelligenz hinterlegt sind. Auch hier wird also ein ganz dramatischer Wandel in der Beziehung zwischen Unternehmen – in dem Fall Hotels – und ihren Gästen einsetzen. Heute sehen wir vor allem auf Seiten der Hotels Systeme mit künstlicher Intelligenz, die dem Gast zum Beispiel das beste Angebot ausspielen sollen. Wir werden uns aber in sehr überschaubarer Zeit damit anfreunden müssen, dass auf Kundenseite genau solche Systeme zum Einsatz kommen. Dann haben wir vielleicht gar nicht mehr eine Kommunikation zwischen einem Unternehmen und einem Kunden, sondern zwischen zwei Datensystem, die sich miteinander austauschen und versuchen, die beste Lösung auszuhandeln.

Bleiben wir bei der Digitalisierung: Welche Fragen sollte sich ein Unternehmen heute stellen, um in Sachen Digitalisierung mithalten zu können oder sogar vorauszugehen?

Jörg Wallner: Es macht sicherlich Sinn, sich im ersten Schritt die Frage zu stellen, was ich über meinen Kunden und mein eigenes Geschäft lernen kann. Darauf bauen die Fragen auf, wie ich die dazu notwendigen Daten erfassen kann und welche intelligenten Aussagen sich daraus ergeben können.
Ich warne aber vor Wahllosigkeit. Daten sammeln, nur um Daten zu sammeln ist nicht der richtige Weg. Es muss ein bewusstes Ziel geben, das etwa darin bestehen kann, eine bessere Kundenansprache zu generieren oder neue Geschäftsmodelle zu erschließen.

Nehmen wir zum Beispiel das Zusammenspiel aus Privatleben, beruflichen Verpflichtungen und einem well-being-part. Ich glaube, dass ein Hotel so etwas gut abdecken kann, in dem es smarte Services anbietet, die wir in Privatwohnungen vermutlich noch lange nicht sehen werden. Ich erkläre es an einem Beispiel. Wir sehen seit mehreren Jahren einen großen Trend in Richtung personalisierter Gesundheit. Das geht so weit, dass Jack Wang, der Leiter des größten Gen-Sequenzierungsinstituts in China, sich vorstellt, unseren Gen-Datensatz und unser Biom zu analysieren, um auf dieser Basis personalisierte Ernährung anzubieten. In einem nächsten Schritt könnte man sich vorstellen, dass diese personalisierte Ernährung aus einem 3D Drucker kommt. Es gibt zum Beispiel in Israel ein StartUp Unternehmen, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten, das genau so etwas macht.

Das hört sich nicht sehr schmackhaft an.

Dr. Wallner: Ob das dann schmackhaft ist, ist tatsächlich eine andere Frage. Dahinter steht dann aber das Versprechen, dass ich eben genau die Nahrungskomponenten bekomme, die mein Organismus benötigt. Möglicherweise angereichert um Pharmazeutika, damit bestimmte veranlagte Krankheiten bei mir nicht ausbrechen oder Stoffwechselerkrankungen gelindert werden oder ähnliche Dinge. Jack Wang geht davon aus, dass man damit die Lebenserwartung auf 160-170 Jahre verlängern kann.

Übrigens kann die Basis für diese Analyse unseres Organismus durchaus unsere Morgenroutine im Badezimmer sein. Dann würde uns die Toilette unseren körperlichen Zustand und unseren Bakterien-Mix melden, verbunden mit einer Nahrungsempfehlung.

Und diesen Service schlagen Sie in Hotels vor?

Dr. Wallner: Warum denn nicht?

2bAhead
2b AHEAD ThinkTank ist, mit Sitz in Leipzig, Deutschlands modernstes Trendforschungsinstitut. Innerhalb wissenschaftlicher Studien werden Chancen und Risiken von Trendentwicklungen identifiziert. Die Basis bieten unter anderem weltweite Experteninterviews mit Entscheidern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und diversen Organisationen. 2b AHEAD berät Kunden, in dem ebendiese Studien in Handlungsempfehlungen für individuelle Geschäftsmodelle übersetzt werden.